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Über Kaisersruh

2016 hat sich ein Unternehmer aus Aachen der Ruine KAISERSRUH angenommen und die in bedauernswertem Zustand befindlichen Reste des Herrenhauses in zweijähriger Bauzeit wieder aufgebaut. Dabei wurden wesentliche Teile der klassizistischen und neobarocken Fassaden nach alten Fotos und Aufzeichnungen rekonstruiert. Inzwischen erstrahlt der Gebäudekomplex samt dem sogenannten Kutscherhaus wieder in vollem Glanz, wurde durch einen modernen Anbau ergänzt und ist jetzt Firmensitz einiger Aachener Unternehmen. Das architektonisch ansprechende, über zwei Ebenen verlaufende Dachgeschoss steht derzeit noch zur Vermietung.

Kirchliche, adelige, bürgerliche und militärische Zeiten, Verfall und Wiederaufbau:  200 Jahre KAISERSRUH

 

Wie sein wohlklingender Name bereits vermuten lässt, hat der Gebäudekomplex vor den Toren von Aachen historische Bedeutung. Gegründet zu Beginn des 19. Jahrhunderts war KAISERSRUH ursprünglich Sitz des Kanonikus Ludwig von Fisenne (1768-1865). Ein Besuch des russischen Zaren Alexander I. im Jahre 1818 führte zur Namensgebung des Herrensitzes. Der Zar nahm zu dieser Zeit am Aachener Kongress teil, bei dem es um die Bewahrung der gesellschaftlichen Verhältnisse im postnapoleonischen Europa ging. Um 1895 wurde KAISERSRUH von der Fabrikantenfamilie Nellessen erworben und stark umgebaut. Im Verlauf seiner wechselvollen Geschichte war KAISERSRUH danach zunächst herrschaftlicher Familiensitz, wurde dann während des zweiten Weltkriegs von deutschem, später britischem und belgischem Militär besetzt und war nach Kriegsende zehn Jahre lang Domizil eines belgischen Generals. Seit Mitte der 1950er Jahre stand das Gebäude leer. Im Jahr 1971 durch die Erbengemeinschaft renoviert, blieb das Herrenhaus dennoch im Wesentlichen ungenutzt. Ab Anfang der 1980er Jahre wurde das unbewohnte Gebäude von Antiquitätendieben ausgeräumt, war Opfer von Vandalismus und verfiel zusehends. Konzepte, das Objekt wieder instand zu setzen und gastronomisch zu nutzen, scheiterten an behördlichen Auflagen. 1999 stürzten schließlich wesentliche Teile des Hauptgebäudes ein. Und so stand, als der jetzige Eigentümer KAISERSRUH erwarb, nur noch ein Rest der Fassade, notdürftig mit Holzbalken abgestützt, um den völligen Zusammenbruch zu verhindern.

Das neue Kaisersruh im Jahr 2018

Der Gebäudekomplex besteht aus dem nach Süden ausgerichteten dreigeschossigen Haupthaus mit seiner klassizistischen Fassadengestaltung und einem Portikus, der dem Eingang vorgelagert ist und mit vier dorischen Säulen einen darauf ruhenden Balkon stützt. Das sich an das Haupthaus anschließende Nebengebäude verfügt über zwei Geschosse plus Mansarde und wurde gemäß seinem damaligen Aussehen im neobarocken Stil rekonstruiert. Der Grundriss beider Gebäude erinnerte ursprünglich an eine Kreuzform, an deren Spitze sich - einer Apsis nicht unähnlich - auch heute noch ein poligonaler Erker befindet. Dieser weist nach Norden auf das Kutscherhaus, defacto das ehemalige Dienstbotengebäude, das größtenteils in Anlehnung an sein früheres Äußeres ebenfalls wieder aufgebaut wurde. Das Innere des gesamten Gebäudekomplexes, das seit dem Einsturz nicht mehr erhalten war, wurde völlig neu gestaltet. Die ehemals zwischen Erker und Kutscherhaus verlaufende Einfahrt in den Innenhof des Gutes ist heute Zugang zu einem modernen Anbau, der sich an die Westseite des Gebäudekomplexes anschmiegt. Mit seiner goldfarbenen und von linearen Rillen sternförmig durchlaufenen Fassade steht der Anbau in visuellem Kontrast zu den nach historischem Vorbild rekonstruierten Gebäudeteilen, ist aber in seiner gesamten Ausdehnung nur von dem abgeschlossenen Hof im Westen aus zu sehen. Der Gebäudeeingang hält sich in einer nur selten von der Sonne erreichten Nische zwischen Herrenhaus und Kutscherhaus so dezent im Hintergrund, dass das historische Erscheinungsbild von KAISERSRUH, soweit es von den flankierenden Straßen aus zu sehen ist, nicht beeinträchtigt wird. KAISERSRUH ist somit heute ein Statement für moderne, extravagante Gebäudearchitektur, die in der Koexistenz mit klassischer, rekonstruierter Bausubstanz diese nicht erschlägt, sondern sich dezent und intelligent unterordnet und beides einer zeitgemäßen Nutzung zuführt.

Dr. Klaus Schörner - www.bonnescape.info

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